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Hoffnung und fatales Nein

homo.net Info vom 25. März 2021
von Webmaster Jan

 

Japans Homosexuelle haben Grund zu verhaltener Freude. Das Bezirksgericht in Sapporo hat letzte Woche geurteilt, dass das Verbot gleichgeschlechtlicher Ehen verfassungswidrig sei. Drei schwule Paare hatten die Regierung auf Entschädigung für seelische Schmerzen verklagt, weil die ihnen keine Eheschließung ermögliche.

Direkte Klagen gegen die Verfassung sind in Japan juristisch nicht möglich, deshalb der Umweg über die Entschädigungsforderung. Die Klage war ein voller Erfolg, auch wenn der Staat nicht zu Entschädigungen verurteilt wurde. Es wird erwartet, dass viele ähnliche Klagen bei Gerichten in ganz Japan eingereicht werden. Einige weitere Verfahren laufen bereits.

Das Urteil hat trotzdem eher symbolische Wirkung. Es ist kaum anzunehmen, dass die japanische Regierung aufgrund der Entscheidung die Ehe für alle öffnen wird. Das Urteil gibt Hoffnung auf langsame Fortschritte im Verhältnis des Landes zu seinen LGBT. Dabei wären nach einer Zeitungsumfrage 61 % der Japaner für die Öffnung der Ehe, nur 37 % lehnen sie ab.

Homosexualität gilt außerhalb besonderer Nischen in Japan als Makel. Rechtlich sind Homosexuelle in vielerlei Hinsicht benachteiligt, Unterstützung von Gesellschaft und Familie gibt es nicht. Mit einer grundlegenden Verbesserung der Situation ist auf absehbare Zeit nicht zu rechnen. Vielen Japanern fällt es daher schwer, ihre eigene Homosexualität anzunehmen. Auch Partnerschaften haben es dadurch deutlich schwerer als bei uns.

Dabei würde die geschlechtsneutrale Ehe auch in Japan viele Diskriminierungen beenden. So gibt es Städte wie Osaka, in denen es ausdrücklich verboten ist, gleichgeschlechtlichen Paaren eine Wohnung zu vermieten. Vermietet wird nur an Einzelpersonen oder Ehepaare und solche, die es werden wollen.

Bedingt durch häufig beengte Wohnverhältnisse ist Japan bekannt für eine gewaltige Masse an Stundenhotels, die auch von Ehepaaren viel und wie selbstverständlich benutzt werden. Die meisten Liebeshotels akzeptieren keine Männerpaare. Bleibt zu bemerken, dass die wenigen einschlägigen Etablissements in den schwulen Vierteln der Großstädte neben gleichgeschlechtlichen Paaren selbstverständlich auch gemischte Pärchen akzeptieren.

Die Liebe gilt in Japan als Privatsache, so privat, dass bei etwa drei Viertel aller LGBT nicht einmal der engere Bekanntenkreis Bescheid weiß. Im Beruf wird sowieso geschwiegen, oft sogar eine Scheinehe vorgetäuscht. Gleichzeitig kommt es in der japanischen Gesellschaft deutlich seltener zu offen homophoben Aktionen als in westlichen Ländern. Homophobe Beschimpfungen und Gewalttaten gibt es kaum in der Öffentlichkeit.

Das hat gute Gründe. Die japanische Sexualmoral ist weltweit eine der offensten überhaupt. Für die meisten Japaner steht die Privatsphäre ihrer Mitmenschen, einschließlich ihres Sexuallebens, nicht zur Diskussion. Die Offenheit der japanischen Gesellschaft gegenüber Homosexualität entspringt also nicht unbedingt einer besonders liberalen, durchdachten Aufgeklärtheit, sondern eher einer allgemeinen Gleichgültigkeit.

Die Gelegenheiten für anonymen Sex sind in Japan ähnlich wie bei uns verteilt: In Großstädten kein Problem, in ländlichen Gebieten eher beschränkt. Sex wird ohne schlechtes Gewissen genossen. Eine der wesentlichen Ursachen dafür ist die Religion. Fast alle Japaner bekennen sich sowohl zur Ur-Religion Shintō als auch zum Buddhismus, je nach Anlass bei fröhlichen Ereignissen eher Shintō und wenn es traurig wird bevorzugt Buddhismus. Abgesehen von gewissen Konventionen und Bräuchen wie bei Geburt und Beerdigung, Autotaufe beim Neuwagen oder Landsegnung vor einem Neubau ist Japanern Religion eher gleichgültig.

Dazu kommt, dass sowohl der Schintoismus als auch der Buddhismus polytheistische Religionen sind, die den Menschen kaum moralische Vorschriften für ihr Leben geben. Dies ist ein gewaltiger Unterschied zu monotheistischen Religionen wie dem Christentum oder dem Islam, die Homosexualität ablehnen und vehement bekämpfen. Der Kampf um die Segnung für homosexuelle Paare, der derzeit in der katholischen Kirche geführt wird, dürfte auch bei Japanern auf völliges Unverständnis stoßen.

Das klare und uneingeschränkte „Nein“ der Kurie zur Segnung homosexueller Paare ist ein fatales Signal, hat mit Nächstenliebe endgültig nichts mehr zu tun und beendet wohl auch den allerletzten Hoffnungsschimmer, dass der inzwischen nicht mehr ganz neue Papst auf Schwule zugehen würde. Die Begründung für das Verbot von Segnungen von schwulen Paaren ist eine theologisch nicht nachvollziehbare Unverschämtheit.

Die Glaubenskongregation der katholischen Kirche behauptet, Priester dürfen gleichgeschlechtliche Paare nicht segnen, weil Gott „Sünde nicht segnen kann“. Daran ist nicht nur erstaunlich, wie sicher sich die Kurie ist, was Gott mag und was nicht, es stellt sich endgültig auch die Frage, woher die alten, weißen Männer dieses so ganz genau wissen. Jesus jedenfalls hat auch die Sünder geliebt.

Innerhalb der Kirche gibt es leider nur wenige Beschwerden gegen das Dekret. Einige wenige Priester allerdings kritisieren den Vatikan ungewöhnlich scharf, bis zur Ankündigung des offenen Ungehorsams gegen den Papst und seine neuste Irrlehre. Es wird Zeit, dass wir den Heiligen Stuhl vor die Tür setzen.

Japaner, bleibt besser beim Shintō
Jan
Webmaster
vom homo.net Team

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